Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der EU

RICHTLINIE (EU) 2019/1152 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 20. Juni 2019

über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 153 Absatz 2 Buchstabe b in Verbindung mit Artikel 153 Absatz 1 Buchstabe b,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Artikel 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union legt fest, dass jeder Arbeitnehmer das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen, auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat.

(2) In Grundsatz Nr. 5 der europäischen Säule sozialer Rechte, die am 17. November 2017 in Göteborg proklamiert wurde, ist festgelegt, dass Arbeitnehmer ungeachtet der Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses das Recht auf faire und gleiche Behandlung im Hinblick auf Arbeitsbedingungen sowie den Zugang zu sozialem Schutz und Fortbildung haben und dass der Übergang in eine unbefristete Arbeitsform zu fördern ist; dass im Einklang mit der Gesetzgebung und Kollektiv- bzw. Tarifverträgen die notwendige Flexibilität für Arbeitgeber zu gewährleisten ist, damit sie sich schnell an sich verändernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen anpassen können; dass innovative Arbeitsformen, die gute Arbeitsbedingungen sicherstellen, zu fördern sind; dass Unternehmertum und Selbstständigkeit zu unterstützen sind und dass berufliche Mobilität zu erleichtern ist und dass Arbeitsverhältnisse, die zu prekären Arbeitsbedingungen führen, zu unterbinden sind, unter anderem durch das Verbot des Missbrauchs atypischer Verträge, und dass Probezeiten eine angemessene Dauer nicht zu überschreiten haben.

(3) In Grundsatz Nr. 7 der europäischen Säule sozialer Rechte ist festgelegt, dass Arbeitnehmer das Recht haben, am Beginn ihrer Beschäftigung schriftlich über ihre Rechte und Pflichten informiert zu werden, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, auch in der Probezeit; dass sie bei jeder Kündigung das Recht haben, zuvor die Gründe zu erfahren und das Recht auf eine angemessene Kündigungsfrist haben und dass sie das Recht auf Zugang zu wirkungsvoller und unparteiischer Streitbeilegung und bei einer ungerechtfertigten Kündigung Anspruch auf Rechtsbehelfe einschließlich einer angemessenen Entschädigung haben.

(4) Seit dem Erlass der Richtlinie 91/533/EWG des Rates hat es auf den Arbeitsmärkten aufgrund der demografischen Entwicklung und der Digitalisierung, die zur Entstehung neuer Formen der Beschäftigung geführt haben, tief greifende Veränderungen gegeben, die Innovationen, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Belebung des Arbeitsmarktes gefördert haben. Einige neue Arbeitsformen unterscheiden sich erheblich von herkömmlichen Arbeitsverhältnissen im Hinblick auf ihre Vorhersehbarkeit und führen so aufseiten der Arbeitnehmer zu Ungewissheit bezüglich der geltenden Rechte und des sozialen Schutzes. In dieser sich wandelnden Arbeitswelt besteht daher eine größere Notwendigkeit für Arbeitnehmer, umfassend über ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen unterrichtet zu sein, was zeitnah und schriftlich in einer für Arbeitnehmer leicht zugänglichen Form erfolgen sollte. Angesichts der Entwicklung neuer Arbeitsformen erscheint es angemessen, Arbeitnehmern in der Union außerdem eine Reihe neuer Mindestrechte zu gewähren, die darauf abzielen, die Sicherheit und die Vorhersehbarkeit in Arbeitsverhältnissen zu verbessern und dabei gleichzeitig eine Aufwärtskonvergenz in den Mitgliedstaaten herbeizuführen und die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes zu erhalten.

(5) Gemäß der Richtlinie 91/533/EWG haben die meisten Arbeitnehmer in der Union Anspruch darauf, schriftliche Informationen über ihre Arbeitsbedingungen zu erhalten. Die Richtlinie 91/533/EWG gilt jedoch nicht für alle Arbeitnehmer in der Union. Darüber hinaus gibt es bei neuen Arbeitsformen, die seit 1991 aufgrund von Arbeitsmarktentwicklungen entstanden sind, Schutzlücken.

(6) Es sollten daher auf Unionsebene Mindestanforderungen für die Unterrichtung über die wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses und für die Arbeitsbedingungen festgelegt werden, die für alle Arbeitnehmer gelten und ihnen ein angemessenes Maß an Transparenz und Vorhersehbarkeit ihrer Arbeitsbedingungen garantieren sollen, wobei gleichzeitig ein angemessenes Maß an Flexibilität atypischer Arbeitsverhältnisse beizubehalten ist, damit die Vorteile für Arbeitnehmer und für Arbeitgeber gewahrt werden.

(7) Die Kommission hat den Sozialpartnern gemäß Artikel 154 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Rahmen eines zweiphasigen Konsultationsverfahrens die Möglichkeit gegeben, sich zur Verbesserung des Anwendungsbereichs und der Wirksamkeit der Richtlinie 91/533/EWG sowie zur Erweiterung der Ziele der Richtlinie durch die Festlegung neuer Rechte für Arbeitnehmer zu äußern. Dies hat zu keiner Einigung der Sozialpartner geführt, Verhandlungen über diese Fragen aufzunehmen. Wie sich an den Ergebnissen der offenen öffentlichen Konsultationen, mit denen die Ansichten verschiedener Interessenträger und Bürgerinnen und Bürger eingeholt wurden, ablesen lässt, ist es jedoch wichtig, in diesem Bereich auf Unionsebene tätig zu werden und den gegenwärtigen Rechtsrahmen zu modernisieren und an neue Entwicklungen anzupassen.

(8) In seiner Rechtsprechung hat der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden „Gerichtshof“) Kriterien für die Feststellung des Status eines Arbeitnehmers aufgestellt. Die Auslegung dieser Kriterien durch den Gerichtshof sollte bei der Umsetzung der Richtlinie berücksichtigt werden. Falls sie die genannten Kriterien erfüllen, könnten Hausangestellte, Arbeitnehmer, die auf Abruf, intermittierend, auf der Grundlage von Gutscheinen und auf Online-Plattformen beschäftigt sind, sowie Praktikanten und Auszubildende in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen. Personen, die tatsächlich selbstständig sind, sollten nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, da sie die Kriterien nicht erfüllen. Der Missbrauch des Status der selbstständigen Erwerbstätigkeit, wie er im nationalen Recht definiert ist — sei es auf nationaler Ebene oder in grenzüberschreitenden Situationen —, stellt eine Form der falsch deklarierten Erwerbstätigkeit dar, die häufig mit nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit in Verbindung steht. Wenn eine Person die typischen Kriterien für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses erfüllt, aber als selbstständig erwerbstätig bezeichnet wird, um bestimmte rechtliche und steuerliche Verpflichtungen zu umgehen, liegt Scheinselbstständigkeit vor. Diese Personen sollten in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen. Die Ermittlung des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses sollte sich an den Fakten orientieren, die sich auf die tatsächliche Arbeitsleistung beziehen, und nicht an der Beschreibung des Verhältnisses seitens der Parteien.

(9) Es sollte den Mitgliedstaaten ermöglicht werden, festzulegen, dass gewisse Bestimmungen dieser Richtlinie, wenn dies aus objektiven Gründen aufgrund des besonderen Charakters der Aufgaben, die sie zu erfüllen haben, oder ihrer Beschäftigungsbedingungen, gerechtfertigt ist, nicht für bestimmte Kategorien von Beamten, Katastrophenschutzorganisationen, Streitkräfte, Polizeibehörden, Richter, Staatsanwälte, Ermittler und andere Strafverfolgungsbehörden gelten.

(10) Die in dieser Richtlinie festgelegten Anforderungen in Bezug auf die folgenden Sachverhalte sollten aufgrund der Besonderheiten ihrer Arbeitsbedingungen nicht für Seeleute oder Seefischer gelten: Mehrfachbeschäftigung, sofern sie mit der Arbeit auf Schiffen oder Fischereifahrzeugen unvereinbar sind, Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit, Entsendung von Arbeitnehmern in einen anderen Mitgliedstaat oder in ein Drittland, Übergang zu einer anderen Arbeitsform und Informationen über die Identität der Sozialversicherungsträger, die die Sozialbeiträge erhalten. Für die Zwecke der vorliegenden Richtlinie sollten Seeleute und Seefischer im Sinne der Begriffsbestimmungen in den Richtlinien 2009/13/EG bzw. (EU) 2017/159 des Rates als innerhalb der Union arbeitend gelten, wenn sie an Bord von Schiffen oder Fischereifahrzeugen arbeiten, die in einem Mitgliedstaat zugelassen sindoder unter der Fahne eines Mitgliedstaats fahren.

(11) Angesichts der wachsenden Zahl von Arbeitnehmern, die aufgrund von Ausnahmeregelungen, welche die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 1 der Richtlinie 91/533/EWG treffen, vom Anwendungsbereich der genannten Richtlinie ausgeschlossen sind, ist es notwendig, diese Ausnahmeregelungen durch eine Möglichkeit für die Mitgliedstaaten zu ersetzen, die Bestimmungen dieser Richtlinie nicht auf Arbeitsverhältnisse anzuwenden, deren im Voraus festgelegte und tatsächlich geleistete Arbeitsstunden in einem Referenzzeitraum von vier aufeinanderfolgenden Woche im Durchschnitt drei Stunden wöchentlich oder weniger beträgt. Bei der Berechnung dieser Stunden sollten alle tatsächlich für einen Arbeitgeber geleisteten Stunden einbezogen werden, z. B. Überstunden oder zusätzliche Arbeit zu der in einem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis garantierten oder vorgesehenen Arbeit. Ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Arbeitnehmer diesen Grenzwert überschritten hat, gelten die Bestimmungen dieser Richtlinie für ihn, unabhängig von den darauffolgend geleisteten Stunden oder den im Arbeitsvertrag angegebenen Arbeitsstunden.

(12) Arbeitnehmer ohne garantierte Arbeitszeit, etwa diejenigen mit Null-Stunden-Verträgen oder bestimmten Abrufverträgen, sind besonders gefährdet. Daher sollten die Bestimmungen dieser Richtlinie unabhängig von der Anzahl der Stunden, die sie tatsächlich arbeiten, für sie gelten.

(13) Mehrere verschiedene natürliche oder juristische Personen oder andere Organisationen können in der Praxis die Aufgaben und Zuständigkeiten eines Arbeitgebers wahrnehmen. Die Mitgliedstaaten sollten frei sein, die Personen näher zu bestimmen, die als ganz oder teilweise verantwortlich für die Erfüllung der den Arbeitgebern durch diese Richtlinie auferlegten Verpflichtungen gelten, solange alle diese Verpflichtungen erfüllt werden. Die Mitgliedstaaten sollten auch entscheiden können, dass diese Verpflichtungen teilweise oder ganz an eine natürliche oder juristische Person zu übertragen sind, die keine Partei des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses ist.

(14) Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, besondere Regeln aufzustellen: um Einzelpersonen, die als Arbeitgeber für Hausangestellte im Haushalt fungieren, von den in dieser Richtlinie festgelegten Anforderungen in Bezug auf die folgenden Sachverhalte auszunehmen: um Anträge auf andere Arbeitsformen zu prüfen und darauf zu reagieren sowie kostenlose Pflichtfortbildung anzubieten, und Rechtsbehelfsregelungen sollten Anwendung finden, wonach bei Informationen, die in den Dokumenten, die dem Arbeitnehmer nach dieser Richtlinie bereitzustellen sind, fehlen, von günstigen Vermutungen ausgegangen wird.

(15) Die Richtlinie 91/533/EWG enthielt erstmals eine Liste der wesentlichen Aspekte des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses, über die Arbeitnehmer schriftlich zu unterrichten sind. Es ist erforderlich, diese Liste anzupassen, die die Mitgliedstaaten erweitern können, um den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und insbesondere der Zunahme der atypischen Arbeitsformen Rechnung zu tragen.

(16) Hat ein Arbeitnehmer keinen festen oder vorherrschenden Arbeitsort, sollte er über die gegebenenfalls geltenden Vorkehrungen für Fahrten zwischen den Arbeitsorten informiert werden.

(17) Es sollte möglich sein, dass die Unterrichtung über den Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung in der Form einer Information erfolgt, welche die Anzahl der Fortbildungstage, auf die der Arbeitnehmer gegebenenfalls pro Jahr Anspruch hat, und Angaben über die allgemeine Fortbildungsstrategie des Arbeitgebers enthält.

(18) Es sollte möglich sein, dass die Angaben zu dem bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltenden Verfahren die Frist für die Einreichung einer Klage gegen die Kündigung enthalten.

(19) Die Unterrichtung über die Arbeitszeit sollte im Einklang mit der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates erfolgen und sollte Informationen über Ruhepausen, tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie über den Umfang des bezahlten Urlaubs umfassen, sodass der Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer sichergestellt wird.

(20) Die Unterrichtung über die Vergütung sollte Informationen zu allen Bestandteilen der getrennt angegebenen Vergütung umfassen, einschließlich — falls zutreffend — der Beiträge in Form von Geld- oder Sachleistungen, Zahlungen für Überstunden, Boni und anderer Ansprüche, die der Arbeitnehmer im Hinblick auf ihre bzw. seine Arbeit direkt oder indirekt erhält. Unbeschadet der Erteilung solcher Informationen sollte es den Arbeitgebern unbenommen bleiben, zusätzliche Vergütungsbestandteile, etwa Einmal-Zahlungen, vorzusehen. Der Umstand, dass über Vergütungsbestandteile, die gesetzlich oder kollektiv — bzw. tarifvertraglich vorgesehen sind, nicht unterrichtet worden ist, sollte kein Grund sein, diese dem Arbeitnehmer nicht zu gewähren.

(21) Falls es wegen der Art der Beschäftigung — etwa bei einem Abrufvertrag — nicht möglich ist, einen festen Arbeitsplan anzugeben, sollten die Arbeitgeber die Arbeitnehmer darüber informieren, wie ihre Arbeitszeiten festzulegen sind, einschließlich der Zeitfenster, in denen sie aufgefordert werden können zu arbeiten, und der Mindestankündigungsfrist, die sie vor Beginn eines Arbeitsauftrags zu erhalten haben.

(22) Die Unterrichtung über Sozialversicherungssysteme sollte Informationen über die Identität der Sozialversicherungsträger, die die Sozialbeiträge erhalten, gegebenenfalls Informationen zu Leistungen bei Krankheit, zu Leistungen bei Mutterschaft, Vaterschaft und Elternschaft, zu Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie zu Leistungen bei Alter, bei Invalidität, für Hinterbliebene, bei Arbeitslosigkeit, bei Vorruhestand und für Familien umfassen. Wählt. der Arbeitnehmer den Sozialversicherungsträger selbst, sollten Arbeitgeber diese Informationen nicht bereitstellen müssen. Die Unterrichtung über den Sozialversicherungsschutz durch den Arbeitgeber sollte gegebenenfalls Informationen über das Bestehen von Zusatzrentensystemen im Sinne der Richtlinie 2014/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates und ergänzender Rentenregelungen im Sinne der Richtlinie 98/49/EG des Rates umfassen.

(23) Arbeitnehmer sollten einen Anspruch darauf haben, bei Beschäftigungsbeginn schriftlich über ihre Rechte und Pflichten informiert zu werden, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben. Die grundlegenden Informationen sollten ihnen daher möglichst umgehend, spätestens innerhalb einer Kalenderwoche ab ihrem ersten Arbeitstag, zugehen. Die übrigen Informationen sollten ihnen innerhalb eines Monats ab ihrem ersten Arbeitstag zugehen. Der erste Arbeitstag sollte als tatsächlicher Beginn der Ausübung von Arbeiten durch den Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsverhältnisses verstanden werden. Die Mitgliedstaaten sollten darauf hinwirken, dass Arbeitgeber vor dem Ende der ursprünglich vereinbarten Laufzeit des Arbeitsvertrags die einschlägigen Informationen über das Arbeitsverhältnis bereitstellen.

(24) Im Hinblick auf den verstärkten Einsatz von digitalen Kommunikationsmitteln können die Informationen, die nach dieser Richtlinie schriftlich zur Verfügung zu stellen sind, auf elektronischem Wege übermittelt werden.

(25) Um den Arbeitgebern zu helfen, die Informationen zeitnah zu erteilen, sollten die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene Vorlagen bereitstellen können, einschließlich gezielter und ausreichend umfangreicher Informationen über den geltenden Rechtsrahmen. Diese Vorlagen könnten von nationalen Behörden und Sozialpartnern auf sektoraler oder lokaler Ebene weiterentwickelt werden. Die Kommission unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Erarbeitung von Vorlagen und Modellen und macht sie gegebenenfalls umfassend zugänglich.

(26) Arbeitnehmer, die ins Ausland geschickt werden, sollten zusätzliche Informationen betreffend ihre Situation erhalten. Bei aufeinanderfolgenden Arbeitsaufträgen in mehreren Mitgliedstaaten oder Drittländern sollte es ermöglicht werden, die Informationen für mehrere Arbeitsaufträge vor der ersten Abfahrt zu gruppieren und bei etwaigen Veränderungen später zu ändern. Arbeitnehmer, die entsandte Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sind, sollten außerdem über die einzige offizielle nationale Website des Aufnahmemitgliedstaats unterrichtet werden, wo sie die für ihre Situation geltenden Arbeitsbedingungen finden können. Sofern von den Mitgliedstaaten nicht anders geregelt, gelangen diese Verpflichtungen zur Anwendung, wenn die Dauer des Arbeitszeitraums im Ausland mehr als vier aufeinanderfolgende Wochen beträgt.

(27) Die Probezeit gestattet es den Parteien des Arbeitsverhältnisses zu überprüfen, ob der Arbeitnehmer und die Stelle, für die er eingestellt worden ist, miteinander vereinbar sind, und dem Arbeitnehmer zugleich begleitende Hilfe anzubieten. Der Eintritt in den Arbeitsmarkt oder der Übergang auf eine neue Stelle sollte nicht mit einer längeren Ungewissheit einhergehen. Wie in der europäischen Säule sozialer Rechte festgelegt, sollten Probezeiten daher eine angemessene Dauer haben.

(28) Zahlreiche Mitgliedstaaten haben eine generelle Höchstdauer der Probezeit zwischen drei und sechs Monaten festgesetzt, die als angemessen gelten sollte. Es sollte möglich sein, dass Probezeiten in Ausnahmefällen länger als sechs Monate dauern, wenn dies durch die Art der Tätigkeit gerechtfertigt ist, etwa bei Leitungs- oder Führungsfunktionen oder Stellen des öffentlichen Dienstes, oder wenn dies im Interesse des Arbeitnehmers ist, etwa im Zusammenhang mit spezifischen Maßnahmen zur Förderung dauerhafter Beschäftigung, insbesondere für junge Arbeitnehmer. Probezeiten sollten außerdem in Fällen entsprechend verlängert werden können, in denen der Arbeitnehmer während der Probezeit von der Arbeit fernblieb, beispielsweise aufgrund einer Krankheit oder aufgrund von Urlaub, damit der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, die Eignung der Person für die betreffende Aufgabe zu beurteilen. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen mit einer Dauer von weniger als zwölf Monaten sollten die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass die Probezeitdauer angemessen ist und im Verhältnis zur erwarteten Dauer des Vertrags und der Art der Tätigkeit steht. Falls nach nationalem Recht oder gemäß den nationalen Gepflogenheiten vorgesehen, sollte es Arbeitnehmern ermöglicht werden, während der Probezeit Arbeitnehmerrechte zu erwerben.

(29) Ein Arbeitgeber sollte Arbeitnehmern weder verbieten dürfen, außerhalb des mit ihm festgelegten Arbeitsplans eine Beschäftigung bei anderen Arbeitgebern aufzunehmen, noch sie benachteiligen, falls sie dies tun. Es sollte den Mitgliedstaaten ermöglicht werden, Bedingungen für die Anwendung von Unvereinbarkeitsbestimmungen im Sinne von Auflagen, wonach ein Arbeitnehmer nicht für andere Arbeitgeber arbeiten darf, aus objektiven Gründen festzulegen, etwa zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer auch durch eine Begrenzung der Arbeitszeit, zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, der Integrität des öffentlichen Dienstes oder zur Vermeidung von Interessenkonflikten.

(30) Arbeitnehmer mit einem völlig oder größtenteils unvorhersehbaren Arbeitsmuster sollten über ein Mindestmaß an Vorhersehbarkeit verfügen, wenn der Arbeitsplan hauptsächlich vom Arbeitgeber festgelegt wird, entweder direkt, etwa durch die Zuweisung von Arbeitsaufträgen, oder indirekt, etwa durch die Aufforderung an den Arbeitnehmer, auf Kundenwünsche zu reagieren.

(31) Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses sollten schriftlich Referenzstunden und Referenztage im Sinne von Zeitfenstern festgelegt werden, in denen auf Aufforderung des Arbeitgebers gearbeitet werden darf.

(32) Eine angemessene Mindestankündigungsfrist — die als der Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt, zu dem ein Arbeitnehmer über einen neuen Arbeitsauftrag informiert wird, und dem Beginn dieses Auftrags zu verstehen ist — stellt bei Arbeitsverhältnissen mit Arbeitsmustern, die völlig oder größtenteils unvorhersehbar sind, ein weiteres notwendiges Element der Vorhersehbarkeit bezüglich der Arbeit dar. Die Länge der Ankündigungsfrist darf je nach den Erfordernissen des betreffenden Sektors unterschiedlich sein, doch muss ein angemessener Schutz der Arbeitnehmer sichergestellt sein. Die Mindestankündigungsfrist gilt unbeschadet der Richtlinie 2002/15/EG des Europäischen Parlaments und des Rates.

(33) Die Arbeitnehmer sollten die Möglichkeit haben, einen Arbeitsauftrag abzulehnen, wenn er außerhalb der Referenzstunden und Referenztage fällt oder, wenn der Arbeitnehmer nicht innerhalb der Mindestankündigungsfrist über den Arbeitsauftrag unterrichtet worden ist, ohne Nachteile für diese Ablehnung zu erleiden. Die Arbeitnehmer sollten auch die Möglichkeit haben, den Arbeitsauftrag anzunehmen, wenn sie dies wünschen.

(34) Hat ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsmuster völlig oder größtenteils unvorhersehbar ist, mit dem Arbeitgeber vereinbart, einen bestimmten Arbeitsauftrag zu übernehmen, der Arbeitnehmer in der Lage sein, entsprechend zu planen. Der Arbeitnehmer sollte durch eine angemessene Entschädigung vor Einkommenseinbußen aufgrund eines verspäteten Widerrufs eines vereinbarten Arbeitsauftrags geschützt sein.

(35) Abrufverträge oder ähnliche Arbeitsverträge wie Null-Stunden-Verträge, in deren Rahmen der Arbeitgeber über die Flexibilität verfügt, die Arbeitnehmer nach Bedarf zur Arbeit aufzufordern, sind für die Arbeitnehmer besonders unvorhersehbar. Mitgliedstaaten, in denen solche Verträge zulässig sind, sollten sicherstellen, dass es wirksame Maßnahmen zur Verhinderung eines Missbrauchs dieser Verträge gibt. Bei diesen Maßnahmen könnte es sich um Beschränkungen der Anwendung und Dauer dieser Verträge, eine widerlegbare Vermutung, dass ein Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis mit einem garantierten Umfang bezahlter Stunden ausgehend von den in einem vorherigen Referenzzeitraum geleisteten Stunden vorliegt, oder andere gleichwertige Maßnahmen handeln, mit denen missbräuchliche Praktiken wirksam verhindert werden.

(36) Wenn Arbeitgeber die Möglichkeit haben, Arbeitnehmern in atypischen Arbeitsverhältnissen Vollzeitarbeitsverträge oder unbefristete Arbeitsverträge anzubieten, sollte im Einklang mit den Grundsätzen im Sinne der europäischen Säule sozialer Rechte ein Übergang zu sichereren Arbeitsformen gefördert werden. Arbeitnehmer sollten das Recht haben, den Arbeitgeber um eine vorhersehbarere und sicherere Arbeitsformen zu ersuchen und eine begründete schriftliche Antwort des Arbeitgebers zu erhalten, in der auf die Bedürfnisse des Arbeitsgebers und die des Arbeitnehmers eingegangen wird. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, die Häufigkeit solcher Ersuchen zu begrenzen. Diese Richtlinie sollte die Mitgliedstaaten nicht davon abhalten, festzulegen, dass es dem Arbeitnehmer im Fall von Stellen des öffentlichen Dienstes, die im Zuge eines Auswahlverfahrens besetzt werden, nicht möglich ist, einfach um diese Stellen zu ersuchen, und dass für diese daher nicht das Recht gilt, um eine Arbeitsform mit vorhersehbareren und sichereren Arbeitsbedingungen zu ersuchen.

(37) Wenn Arbeitgeber gemäß den Rechtsvorschriften der Union oder nationalen Rechtsvorschriften oder Kollektiv- bzw. Tarifverträgen verpflichtet sind, Arbeitnehmern Fortbildung anzubieten, damit diese die Arbeit durchführen können, für die sie beschäftigt werden, sollte sichergestellt sein, dass diese Fortbildung allen Arbeitnehmern angeboten wird, auch denjenigen in atypischen Arbeitsverhältnissen. Die Kosten für diese Fortbildung sollten dem Arbeitnehmer weder in Rechnung gestellt noch von ihrer bzw. seiner Vergütung einbehalten oder abgezogen werden. Die Fortbildung sollte als Arbeitszeit angerechnet und möglichst während der Arbeitszeit besucht werden. Diese Verpflichtung betrifft nicht die Berufsausbildung oder Fortbildung, die erforderlich ist, um eine Berufsqualifikation zu erlangen, aufrechtzuerhalten oder zu erneuern, solange der Arbeitgeber nicht gemäß den Rechtsvorschriften der Union oder nationalen Rechtsvorschriften oder Kollektiv- bzw. Tarifverträgen verpflichtet wird, sie dem Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die Mitgliedstaaten sollten die Maßnahmen ergreifen, die erforderlich sind, um Arbeitnehmer vor missbräuchlichen Praktiken im Zusammenhang mit Fortbildung zu schützen.

(38) Die Autonomie der Sozialpartner und ihre Funktion als Vertretung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten gewahrt bleiben. Es sollte den Sozialpartnern daher offenstehen, übereinzukommen, dass in bestimmten Branchen oder Situationen andere Bestimmungen als die Mindeststandards gemäß dieser Richtlinie geeigneter sind, die Ziele dieser Richtlinie zu erreichen. Die Mitgliedstaaten sollten daher die Möglichkeit haben, den Sozialpartnern zu erlauben, kollektiv- oder Tarifverträge beizubehalten, auszuhandeln, zu schließen und durchzusetzen, die von bestimmten Bestimmungen in dieser Richtlinie abweichen, solange dabei das generelle Schutzniveau für die Arbeitnehmer nicht abgesenkt wird.

(39) Die öffentliche Konsultation zur europäischen Säule sozialer Rechte hat gezeigt, dass es notwendig ist, die Durchsetzung des Arbeitsrechts der Union zu stärken, um dessen Wirksamkeit sicherzustellen. Die Evaluierung der Richtlinie 91/533/EWG im Rahmen des Programms der Kommission zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung hat bestätigt, dass strengere Durchsetzungsmechanismen die Wirksamkeit des Arbeitsrechts der Union verbessern könnten. Die Konsultation hat außerdem ergeben, dass Rechtsbehelfssysteme, die einzig auf Schadenersatzforderungen beruhen, weniger effektiv sind als Systeme, die auch Sanktionen (etwa pauschale Strafgelder oder den Entzug der Zulassung) für Arbeitgeber vorsehen, welche versäumen, schriftliche Erklärungen abzugeben. Sie hat ferner gezeigt, dass Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses nur selten Rechtsbehelfe einlegen, womit das Ziel der schriftlichen Erklärung, nämlich sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer über die wesentlichen Merkmale des Arbeitsverhältnisses zu unterrichte werden, gefährdet ist. Es ist daher erforderlich, Durchsetzungsbestimmungen vorzusehen, mit denen sichergestellt wird, dass, wenn Informationen über das Arbeitsverhältnis nicht erteilt werden, günstige Vermutungen oder ein Verfahren angewandt wird, bei dem der Arbeitgeber zur Erteilung der fehlenden Informationen aufgefordert und, wenn er dieser Aufforderung nicht nachkommt, sanktioniert werden kann, oder beides. Es sollte möglich sein, dass diese günstigen Vermutungen die Vermutung enthalten, dass der Arbeitnehmer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis hat, dass es keine Probezeit gibt oder dass der Arbeitnehmer eine Vollzeitstelle innehat, wenn die entsprechenden Informationen fehlen. Rechtsbehelfe könnten von der Durchführung eines Verfahrens abhängig gemacht werden, bei dem der Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer oder Dritten, etwa einem Vertreter des Arbeitnehmers oder einer anderen zuständigen Behörde oder Stelle, auf das Fehlen der Informationen hingewiesen wird und rechtzeitig vollständige und korrekte Informationen bereitzustellen hat

(40) Seit dem Erlass der Richtlinie 91/533/EWG ist ein umfangreiches System an Vorschriften für die Durchsetzung des sozialen Besitzstands in der Union angenommen worden, insbesondere im Bereich Gleichbehandlung, die zum Teil auf diese Richtlinie angewandt werden sollten, damit sichergestellt ist, dass Arbeitnehmer im Einklang mit Grundsatz Nr. 7 der europäischen Säule sozialer Rechte Zugang zu wirkungsvoller und unparteiischer Streitbeilegung, etwa einem Zivil- oder Arbeitsgericht, sowie Anspruch auf Rechtsbehelfe haben, was auch eine angemessene Entschädigung umfassen kann.

(41) Insbesondere sollten Arbeitnehmer angesichts des grundlegenden Anspruchs auf wirksamen Rechtsschutz auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses, in dessen Verlauf es zu einem vermuteten Verstoß gegen ihre in dieser Richtlinie verankerten Rechte gekommen ist, in den Genuss dieses Schutzes kommen.

(42) Die wirksame Durchführung dieser Richtlinie erfordert einen angemessenen gerichtlichen und administrativen Schutz vor Benachteiligungen infolge eines Versuchs, ein in dieser Richtlinie vorgesehenes Recht wahrzunehmen, infolge einer Beschwerde beim Arbeitgeber oder infolge der Einleitung von Rechts- oder Verwaltungsverfahren zur Durchsetzung der Einhaltung dieser Richtlinie.

(43) Arbeitnehmer, die in dieser Richtlinie vorgesehene Rechte wahrnehmen, sollten vor Kündigung oder vergleichbarer Benachteiligung — indem zum Beispiel ein auf Abruf tätiger Arbeitnehmer keine Arbeit mehr zugewiesen bekommt — oder vor jeglicher Vorbereitung auf eine mögliche Kündigung, weil sie versucht haben, diese Rechte wahrzunehmen, geschützt sein. Ist ein Arbeitnehmer der Ansicht, ihm sei aus den genannten Gründen gekündigt worden oder habe vergleichbare Nachteile erlitten, sollte er und die zuständigen Behörden oder Stellen die Möglichkeit haben, den Arbeitgeber aufzufordern, hinreichend genau bezeichnete Gründe für die Kündigung oder die Maßnahme mit gleicher Wirkung zu nennen.

(44) Die Beweislast dafür, dass die Kündigung oder die gleichwertige Benachteiligung nicht erfolgt ist, weil der Arbeitnehmer seine ihm aufgrund dieser Richtlinie zustehenden Rechte wahrgenommen hat, sollte beim Arbeitgeber liegen, wenn der Arbeitnehmer vor einem Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde oder Stelle Tatsachen anführt, die darauf schließen lassen, dass ihm aus solchen Gründen gekündigt oder er einer gleichwertigen Benachteiligung ausgesetzt worden ist. Es sollte den Mitgliedstaaten offenstehen, diese Regel in Verfahren nicht anzuwenden, in denen ein Gericht oder eine andere zuständige Behörde oder Stelle den Sachverhalt untersuchen müsste, insbesondere in Systemen, wo eine Kündigung zuvor bereits von einer derartigen Behörde oder Stelle genehmigt werden muss.

(45) Die Mitgliedstaaten sollten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für die Verletzung der aus dieser Richtlinie erwachsenden Verpflichtungen festlegen. Sanktionen können administrative und finanzielle Sanktionen, wie Geldbußen oder Entschädigungszahlungen, sowie andere Arten von Sanktionen umfassen.

(46) Da die Ziele dieser Richtlinie, nämlich die Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch die Förderung transparenterer und vorhersehbarere Beschäftigung bei gleichzeitiger Gewährleistung der Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen der Notwendigkeit, gemeinsame Mindestanforderungen festzulegen, auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(47) Mit dieser Richtlinie werden Mindestanforderungen festgelegt, sodass das Recht der Mitgliedstaaten unberührt bleibt, günstigere Bestimmungen einzuführen oder beizubehalten. Gemäß dem derzeitigen Rechtsrahmen erworbene Ansprüche sollten weiterhin gelten, es sei denn, durch diese Richtlinie werden günstigere Bestimmungen eingeführt. Die Umsetzung dieser Richtlinie darf weder dazu genutzt werden, bestehende Rechte abzubauen, die in vorhandenem Unionsrecht oder nationalem Recht festgelegt sind, noch darf sie als Rechtfertigung dienen, das allgemeine Schutzniveau für Arbeitnehmer in dem von der Richtlinie erfassten Bereich zu senken. Insbesondere sollte sie nicht als Grundlage für die Einführung von Null-Stunden-Verträgen oder ähnlichen Arbeitsverträgen dienen.

(48) Bei der Umsetzung dieser Richtlinie sollten die Mitgliedstaaten administrative, finanzielle oder rechtliche Auflagen vermeiden, die der Gründung und dem Ausbau von Kleinstunternehmen, kleinen und mittleren Unternehmen entgegenstehen. Die Mitgliedstaaten sind daher aufgefordert, die Auswirkungen ihres Umsetzungsrechtsakts auf kleine und mittlere Unternehmen zu prüfen, um sicherzustellen, dass sie nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden - wobei ein besonderes Augenmerk auf Kleinstunternehmen und auf dem Verwaltungsaufwand liegen sollte -, und das Ergebnis dieser Prüfung zu veröffentlichen.

(49) Die Mitgliedstaaten können den Sozialpartnern die Umsetzung dieser Richtlinie übertragen, wenn die Sozialpartner dies gemeinsam beantragen und sofern die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die mit dieser Richtlinie angestrebten Ergebnisse erzielt werden. Außerdem sollten sie im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten angemessene Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Sozialpartner wirksam einbezogen werden, und um den sozialen Dialog zu fördern und zu verbessern, damit die Bestimmungen dieser Richtlinie umgesetzt werden.

(50) Die Mitgliedstaaten sollten jedwede angemessenen Maßnahmen ergreifen, um die Erfüllung der Verpflichtungen aus dieser Richtlinie sicherzustellen, indem beispielsweise gegebenenfalls Prüfungen vorgenommen werden.

(51) Angesichts der erheblichen Änderungen, die diese Richtlinie hinsichtlich des Zwecks, des Anwendungsbereichs und des Inhalts der Richtlinie 91/533/EWG mit sich bringt, ist es nicht angezeigt, die genannte Richtlinie zu ändern. Die Richtlinie 91/533/EWG sollte daher aufgehoben werden.

(52) Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung vom 28. September 2011 der Mitgliedstaaten und der Kommission zu Erläuternde Dokumente haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird. In Bezug auf diese Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt -

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

KAPITEL I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 1

Zweck, Gegenstand und Anwendungsbereich

(1) Zweck dieser Richtlinie ist es, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparentere und vorhersehbarere Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird.

(2) In dieser Richtlinie werden die Mindestrechte festgelegt, die für jeden Arbeitnehmer in der Union gelten, der nach den Rechtsvorschriften, Kollektiv- bzw. Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat einen Arbeitsvertrag hat oder in einem Arbeitsverhältnis steht, wobei die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu berücksichtigen ist.

(3) Die Mitgliedstaaten können entscheiden, dass die Verpflichtungen aus dieser Richtlinie nicht für Arbeitnehmer mit einem Arbeitsverhältnis gelten, dessen im Voraus festgelegte und tatsächlich geleistete Arbeitszeit in einem Referenzzeitraum von vier aufeinanderfolgenden Wochen im Durchschnitt nicht mehr als drei Stunden wöchentlich beträgt. Alle Zeiten, die bei Arbeitgebern gearbeitet werden, welche ein Unternehmen, eine Gruppe oder eine Organisation bilden oder einem Unternehmen, einer Gruppe oder einer Organisation angehören, werden diesem Dreistunden-Durchschnitt zugerechnet.

(4) Absatz 3 ist nicht anwendbar auf Arbeitsverhältnisse, bei denen vor dem Beschäftigungsbeginn kein garantierter Umfang bezahlter Arbeit festgelegt ist.

(5) Die Mitgliedstaaten können bestimmen, welche Personen für die Erfüllung der den Arbeitgebern durch diese Richtlinie auferlegten Verpflichtungen verantwortlich sind, solange alle diese Verpflichtungen erfüllt werden. Sie können auch entscheiden, dass diese Verpflichtungen ganz oder teilweise einer natürlichen oder juristischen Person übertragen werden müssen, die keine Partei des Arbeitsverhältnisses ist.

Dieser Absatz lässt die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates unberührt.

(6) Die Mitgliedstaaten können aus objektiven Gründen festlegen, dass die Bestimmungen des Kapitels III nicht für Beamte, Katastrophenschutzorganisationen, die Streitkräfte, die Polizeibehörden, Richter, Staatsanwälte, Ermittler oder andere Strafverfolgungsbehörden gelten.

(7) Die Mitgliedstaaten können entscheiden, die Verpflichtungen aus den Artikeln 12 und 13 sowie aus Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a nicht auf natürliche Personen anzuwenden, die als Arbeitgeber in Haushalten fungieren, in denen Arbeit für diese Haushalte erbracht wird.

(8) Unbeschadet der Richtlinien 2009/13/EG und (EU) 2017/159 des Rates ist Kapitel II dieser Richtlinie auf Seeleute bzw. Seefischer anwendbar. Die Verpflichtungen nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstaben m und o sowie nach den Artikeln 7, 9, 10 und 12 gelten nicht für Seeleute oder Seefischer.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a) „Arbeitsplan“ einen Plan, in dem die Uhrzeiten und die Tage festgelegt sind, zu bzw. an denen die Arbeit beginnt und endet;

b) „Referenzstunden und Referenztage“ Zeitfenster an festgelegten Tagen, in denen auf Aufforderung des Arbeitgebers Arbeit stattfinden kann;

c) „Arbeitsmuster“ die Organisationsform der Arbeitszeit nach einem bestimmten Schema, das vom Arbeitgeber festgelegt wird.

Artikel 3

Bereitstellung von Informationen

Der Arbeitgeber stellt jedem Arbeitnehmer die gemäß dieser Richtlinie erforderlichen Informationen schriftlich zur Verfügung. Die Informationen sind in Papierform oder — sofern die Informationen für den Arbeitnehmer zugänglich sind, gespeichert und ausgedruckt werden können und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält — in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen und zu übermitteln.

KAPITEL II

UNTERRICHTUNG ÜBER DAS ARBEITSVERHÄLTNIS

Artikel 4

Pflicht zur Unterrichtung

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Arbeitgebern vorgeschrieben wird, die Arbeitnehmer über die wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses zu unterrichten.

(2) Die in Absatz 1 genannte Unterrichtung umfasst mindestens folgende Informationen:

a) die Personalien der Parteien des Arbeitsverhältnisses;

b) den Arbeitsort; falls es sich nicht um einen festen oder vorherrschenden Arbeitsort handelt: den Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich an verschiedenen Orten tätig wird oder ihren bzw. seinen Arbeitsort frei wählen kann, sowie den Sitz des Unternehmens oder gegebenenfalls den Wohnsitz des Arbeitgebers;

c) entweder

i) die Funktionsbezeichnung, den Grad sowie die Art oder Kategorie der Arbeit, die dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zugewiesen wurden, oder

ii) eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der Arbeit;

d) den Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses;

e) bei befristeten Arbeitsverhältnissen: das Enddatum oder die erwartete Dauer des Arbeitsverhältnisses;

f) bei Leiharbeitnehmern: die Identität der entleihenden Unternehmen, wenn und sobald bekannt;

g) gegebenenfalls die Dauer und die Bedingungen der Probezeit;

h) gegebenenfalls den Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung;

i) die Dauer des bezahlten Urlaubs, auf den der Arbeitnehmer Anspruch hat, oder, falls dies zum Zeitpunkt der Unterrichtung nicht angegeben werden kann, die Modalitäten der Gewährung und der Festlegung dieses Urlaubs;

j) das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, einschließlich der formellen Anforderungen und der Länge der Kündigungsfristen, oder, falls die Kündigungsfristen zum Zeitpunkt der Unterrichtung nicht angegeben werden können, die Modalitäten der Festsetzung der Kündigungsfristen;

k) die Vergütung, einschließlich des anfänglichen Grundbetrags, sofern vorhanden anderer Bestandteile, die getrennt anzugeben sind, und der Periodizität und der Art der Auszahlung der Vergütung, auf die der Arbeitnehmer Anspruch hat;

l) falls die Arbeitsmuster völlig oder größtenteils vorhersehbar sind: die Länge des Standardarbeitstages oder der Standardarbeitswoche des Arbeitnehmers sowie gegebenenfalls die Modalitäten und die Vergütung von Überstunden und, sofern zutreffend, etwaige Modalitäten von Schichtänderungen;

m) falls die Arbeitsmuster völlig oder größtenteils unvorhersehbar sind, teilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Folgendes mit:

i) den Grundsatz, dass der Arbeitsplan variabel ist, die Anzahl der garantierten bezahlten Stunden und die Vergütung für zusätzlich zu diesen garantierten Stunden erbrachte Arbeiten;

ii) die Referenzstunden und die Referenztage, innerhalb derer der Arbeitnehmer aufgefordert werden kann zu arbeiten;

iii) die Mindestankündigungsfrist, auf die der Arbeitnehmer vor Beginn eines Arbeitsauftrags Anspruch hat, und, falls zutreffend, die Frist für einen Widerruf nach Artikel 10 Absatz 3;

n) gegebenenfalls die Angabe der Kollektiv- bzw. Tarifverträge, in denen die Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers geregelt sind, oder bei außerhalb des Unternehmens durch einzelne paritätische Stellen oder Institutionen abgeschlossenen Kollektiv- bzw. Tarifverträgen: Angabe solcher Stellen oder paritätischen Institutionen, in deren Rahmen sie abgeschlossen wurden;

o) falls der Arbeitgeber dafür zuständig ist: die Identität der Sozialversicherungsträger, die die Sozialbeiträge im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis und einem gegebenenfalls vom Arbeitgeber gewährten Sozialversicherungsschutz erhalten.

(3) Die Informationen gemäß Absatz 2 Buchstaben g bis l und o können gegebenenfalls durch einen Hinweis auf die Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. die Satzungsbestimmungen oder Kollektiv- bzw. Tarifverträge erteilt werden, die für die entsprechenden Bereiche gelten.

Artikel 5

Zeitpunkt und Form der Unterrichtung

(1) Sofern sie nicht früher bereitgestellt wurden, werden die Informationen gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstaben a bis e, g, k, l und m dem Arbeitnehmer individuell zwischen dem ersten Arbeitstag und spätestens dem siebten Kalendertag in Form eines oder mehrerer Dokumente zur Verfügung gestellt. Die übrigen Informationen gemäß Artikel 4 Absatz 2 werden dem Arbeitnehmer individuell innerhalb eines Monats ab dem ersten Arbeitstag in Form eines Dokuments bereitgestellt.

(2) Die Mitgliedstaaten können Vorlagen und Modelle für die in Absatz 1 genannten Dokumente entwickeln, die sie dem Arbeitnehmer sowie dem Arbeitgeber unter anderem auf einer einzigen offiziellen nationalen Website oder im Rahmen anderer angemessener Maßnahmen zugänglich machen.

(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Informationen über die Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. die Satzungsbestimmungen oder allgemeinverbindlichen Kollektiv- bzw. Tarifverträge, die den anwendbaren Rechtsrahmen regeln und von Arbeitgebern kommuniziert werden müssen, allgemein und kostenlos sowie in klarer, transparenter, umfassender und leicht zugänglicher Art und Weise durch Fernkommunikationsmittel und auf elektronischem Wege zur Verfügung gestellt werden, darunter auf bestehenden Online-Portalen.

Artikel 6

Änderungen des Arbeitsverhältnisses

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Informationen über Änderungen von in Artikel 4 Absatz 2 genannten Aspekten des Arbeitsverhältnisses oder über Änderungen der zusätzlichen Informationen für in einen anderen Mitgliedstaat oder in ein Drittland geschickte Arbeitnehmer gemäß Artikel 7 bei erster Gelegenheit, spätestens aber an dem Tag, an dem diese Änderungen wirksam werden, in Form eines Dokuments zur Verfügung stellt.

(2) Das Dokument nach Absatz 1 ist nicht erforderlich im Fall von Änderungen, mit denen lediglich einer Änderung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. der Satzungsbestimmungen oder Kollektiv- bzw. Tarifverträge, auf die die Dokumente nach Artikel 5 Absatz 1 und gegebenenfalls nach Artikel 7 Bezug nehmen, Rechnung getragen wird.

Artikel 7

Zusätzliche Informationen für in einen anderen Mitgliedstaat oder in ein Drittland geschickte Arbeitnehmer

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer der in einem Mitgliedstaat, der nicht der Mitgliedstaat ist, in dem er für gewöhnlich arbeitet, oder in einem Drittland arbeiten soll, vor seiner Abreise die in Artikel 5 Absatz 1 genannten Dokumente bereitstellt und dass in den Dokumenten zusätzlich zumindest Folgendes angegeben ist:

a) das Land oder die Länder, in dem bzw. in denen die Arbeit im Ausland geleistet werden soll, und die geplante Dauer der Arbeit;

b) die Währung, in der die Vergütung erfolgt;

c) falls anwendbar: die mit den Arbeitsaufträgen verbundenen Geld- oder Sachleistungen;

d) Angaben dazu, ob eine Rückführung vorgesehen ist, und falls ja, die Bedingungen für die Rückführung des Arbeitnehmers.

(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die entsandten Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 96/71/EG zusätzlich über Folgendes unterrichtet werden:

a) die Vergütung, auf die sie im Einklang mit dem geltenden Recht des Aufnahmemitgliedstaats Anspruch haben;

b) falls anwendbar: Entsendezulagen und Regelungen für die Erstattung von Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten;

c) den Link zu der einzigen offiziellen nationalen Website, die der Aufnahmemitgliedstaat gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates eingerichtet hat.

(3) Die Informationen gemäß Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 2 Buchstabe a können gegebenenfalls durch einen Hinweis auf konkrete Bestimmungen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Satzungen oder Kollektiv- bzw. Tarifverträge erteilt werden, die für diese Informationen gelten.

(4) Sofern die Mitgliedstaaten nichts anderes bestimmen, finden die Absätze 1 und 2 keine Anwendung, wenn die Dauer jedes einzelnen Arbeitszeitraums außerhalb des Mitgliedstaats, in dem der Arbeitnehmer für gewöhnlich arbeitet, nicht mehr als vier aufeinanderfolgende Wochen beträgt.

KAPITEL III

MINDESTANFORDERUNGEN AN DIE ARBEITSBEDINGUNGEN

Artikel 8

Höchstdauer einer Probezeit

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass eine Probezeit, falls das Arbeitsverhältnis nach Maßgabe des nationalen Rechts oder der nationalen Gepflogenheiten eine solche umfasst, nicht länger als sechs Monate dauert.

(2) Bei befristeten Arbeitsverhältnissen tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass die Probezeitdauer im Verhältnis zur erwarteten Dauer des Vertrags und der Art der Tätigkeit steht. Bei einer Vertragsverlängerung für dieselbe Funktion und dieselben Aufgaben gilt für das Arbeitsverhältnis keine neue Probezeit.

(3) Die Mitgliedstaaten können in Ausnahmefällen längere Probezeiten festsetzen, wenn dies durch die Art der Tätigkeit gerechtfertigt oder im Interesse des Arbeitnehmers ist. Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass die Probezeit in Fällen, in denen der Arbeitnehmer während der Probezeit der Arbeit ferngeblieben war, entsprechend verlängert werden kann.

Artikel 9

Mehrfachbeschäftigung

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer weder verbieten darf, außerhalb des mit ihm festgelegten Arbeitsplans ein Arbeitsverhältnis mit anderen Arbeitgebern aufzunehmen, noch ihn benachteiligen darf, falls er dies tut.

(2) Die Mitgliedstaaten dürfen Bedingungen festlegen, bei deren Vorliegen die Arbeitgeber aus objektiven Gründen Unvereinbarkeitsbestimmungen anwenden dürfen, etwa aus Gründen der Gesundheit und der Sicherheit, zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, der Integrität des öffentlichen Dienstes oder zur Vermeidung von Interessenkonflikten.

Artikel 10

Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsmuster völlig oder größtenteils unvorhersehbar sind, nicht vom Arbeitgeber verpflichtet werden kann zu arbeiten, es sei denn, die beiden folgenden Voraussetzungen sind erfüllt:

a) Die Arbeit findet innerhalb der vorab bestimmten Referenzstunden und Referenztage im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m Ziffer ii statt, und

b) der Arbeitgeber unterrichtet den Arbeitnehmer innerhalb einer angemessenen Ankündigungsfrist gemäß den nationalen Rechtsvorschriften, Kollektiv- bzw. Tarifverträgen oder Gepflogenheiten nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m Ziffer iii über einen Arbeitsauftrag.

(2) Wenn eine oder beide der in Absatz 1 festgelegten Bedingungen nicht erfüllt werden, ist. der Arbeitnehmer berechtigt, einen Arbeitsauftrag abzulehnen, ohne dass ihm daraus Nachteile entstehen.

(3) Erlauben die Mitgliedstaaten dem Arbeitgeber, einen Arbeitsauftrag ohne Entschädigung zu widerrufen, so ergreifen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen gemäß den nationalen Rechtsvorschriften, Kollektiv- bzw. Tarifverträgen oder Gepflogenheiten, damit sichergestellt ist, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf Entschädigung hat, falls der Arbeitgeber den zuvor mit dem Arbeitnehmer vereinbarten Arbeitsauftrag nach einer konkreten angemessenen Fristwiderruft.

(4) Die Mitgliedstaaten können Modalitäten im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften, Kollektiv- bzw. Tarifverträgen oder Gepflogenheiten zur Anwendung dieses Artikels erlassen.

Artikel 11

Zusatzmaßnahmen bei Abrufverträgen

Erlauben die Mitgliedstaaten Abrufverträge oder ähnliche Arbeitsverträge, so ergreifen sie mindestens eine der folgenden Maßnahmen, um missbräuchliche Praktiken zu unterbinden:

a) Beschränkungen der Anwendung und Dauer von Abrufverträgen und ähnlichen Arbeitsverträgen;

b) eine widerlegbare Vermutung, dass ein Arbeitsvertrag mit einem garantierten Mindestumfang bezahlter Stunden ausgehend von den in einem bestimmten Zeitraum durchschnittlich geleisteten Stunden vorliegt;

c) andere gleichwertige Maßnahmen, mit denen missbräuchliche Praktiken wirksam verhindert werden.

Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über diese Maßnahmen.

Artikel 12

Übergang zu einer anderen Arbeitsform

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Arbeitnehmer, die — falls zutreffend — ihre Probezeit abgeschlossen haben und seit mindestens sechs Monaten bei demselben Arbeitgeber tätig sind, ihren Arbeitgeber um eine Arbeitsform mit vorhersehbaren und sichereren Arbeitsbedingungen, falls verfügbar, ersuchen dürfen und eine begründete schriftliche Antwort erhalten. Die Mitgliedstaaten können die Häufigkeit der Ersuchen begrenzen, in deren Folge die Verpflichtung nach Maßgabe dieses Artikels gilt.

(2) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass der Arbeitgeber innerhalb eines Monats nach dem Ersuchen die in Absatz 1 genannte begründete schriftliche Antwort erteilt. Bei natürlichen Personen, die als Arbeitgeber fungieren und bei Kleinstunternehmen sowie bei kleinen und mittleren Unternehmen können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die genannte Frist auf höchstens drei Monate verlängert wird, und erlauben, dass die Antwort mündlich erfolgt, wenn derselbe Arbeitnehmer bereits ein ähnliches Ersuchen vorgebracht hat und die Begründung für die Antwort bezüglich der Situation des Arbeitnehmers gleich geblieben ist.

Artikel 13

Pflichtfortbildungen

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Arbeitnehmern Fortbildung kostenlos angeboten wird, als Arbeitszeit angerechnet wird und möglichst während der Arbeitszeiten stattfindet, wenn der Arbeitgeber aufgrund von Rechtsvorschriften der Union oder nationalen Rechtsvorschriften oder Kollektiv- bzw. Tarifverträgen verpflichtet ist, den Arbeitnehmern Fortbildung im Hinblick auf die Arbeit anzubieten, die sie ausüben.

Artikel 14

Kollektiv- bzw. Tarifverträge

Die Mitgliedstaaten können den Sozialpartnern erlauben, im Einklang mit dem nationalen Recht oder den nationalen Gepflogenheiten Kollektiv- bzw. Tarifverträge beizubehalten, auszuhandeln, zu schließen und durchzusetzen, bei denen Regelungen bezüglich der Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern getroffen werden, die von den in den Artikeln 8 bis 13 beschriebenen Regelungen abweichen, sofern der Schutz der Arbeitnehmer insgesamt gewahrt bleibt.

KAPITEL IV

HORIZONTALE BESTIMMUNGEN

Artikel 15

Rechtsvermutungen und Verfahren für eine frühzeitige Streitbeilegung

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb der Frist nicht alle oder nur Teile der Dokumente gemäß Artikel 5 Absatz 1 oder Artikel 6 erhält, eine oder beide der folgenden Regelungen angewandt wird:

a) Der Arbeitnehmer kommt in den Genuss von für ihn günstigen Vermutungen, die vom Mitgliedstaat festgelegt werden und die vom Arbeitgeber widerlegt werden können;

b) der Arbeitnehmer erhält die Möglichkeit, bei einer zuständigen Behörde oder Stelle eine Beschwerde einzureichen zeitnah und wirksam und angemessene Abhilfe zu erhalten.

 

(2) Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass die die in Absatz 1 genannten Vermutungen und Mechanismen erst angewandt werden, wenn dem Arbeitgeber eine entsprechende Aufforderung übermittelt wurde und dieser es versäumt hat, die fehlenden Informationen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen.

Artikel 16

Anspruch auf Abhilfe

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Arbeitnehmer, einschließlich solcher, deren Arbeitsverhältnis beendet ist, Zugang zu wirkungsvoller und unparteiischer Streitbeilegung und einen Anspruch auf Abhilfe haben, wenn die ihnen aufgrund dieser Richtlinie zustehenden Rechte verletzt werden.

Artikel 17

Schutz vor Benachteiligung oder negativen Konsequenzen

Die Mitgliedstaaten führen die notwendigen Maßnahmen ein, um Arbeitnehmer, darunter auch Arbeitnehmervertreter, vor jedweder Benachteiligung durch den Arbeitgeber und vor jedweden negativen Konsequenzen zu schützen, denen sie ausgesetzt sind, weil sie Beschwerde beim Arbeitgeber eingereicht oder ein Verfahren angestrengt haben mit dem Ziel, die Einhaltung der im Rahmen dieser Richtlinie gewährten Rechte durchzusetzen.

Artikel 18

Kündigungsschutz und Beweislast

(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um eine Kündigung oder Maßnahmen mit gleicher Wirkung sowie jegliche Vorbereitung auf eine Kündigung von Arbeitnehmer zu untersagen, wenn diese Maßnahmen damit begründet werden, dass die Arbeitnehmer die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte in Anspruch genommen haben.

(2) Arbeitnehmer, die der Ansicht sind, dass ihnen aufgrund der Inanspruchnahme der in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte gekündigt worden ist oder dass sie deshalb Maßnahmen mit gleicher Wirkung ausgesetzt sind, können vom Arbeitgeber verlangen, dass er hinreichend genau bezeichnete Gründe für die Kündigung oder die Maßnahme mit gleicher Wirkung anführt. Der Arbeitgeber legt diese Gründe schriftlich dar.

(3) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass in Fällen, in denen die in Absatz 2 genannten Arbeitnehmer vor einem Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde oder Stelle Tatsachen anführen, die darauf schließen lassen, dass eine solche Kündigung oder Maßnahme mit gleicher Wirkung erfolgt ist, der Arbeitgeber nachzuweisen hat, dass die Kündigung aus anderen als den in Absatz 1 angeführten Gründen erfolgt ist.

(4) Absatz 3 lässt das Recht der Mitgliedstaaten, eine für die Arbeitnehmer günstigere Beweislastregelung vorzusehen, unberührt.

(5) Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, Absatz 3 auf Verfahren anzuwenden, in denen die Ermittlung des Sachverhalts dem Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde oder Stelle obliegt.

(6) Sofern von den Mitgliedstaaten nicht anders geregelt, findet Artikel 3 in Strafverfahren keine Anwendung.

Artikel 19

Sanktionen

Die Mitgliedstaaten legen Regeln für Sanktionen fest, die bei Verstößen gegen nationale Rechtsvorschriften, welche gemäß dieser Richtlinie erlassen wurden, oder gegen bereits geltende einschlägige Vorschriften zu Rechten, die unter diese Richtlinie fallen, anwendbar sind. Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, angemessen und abschreckend sein.

KAPITEL V

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 20

Regressionsverbot und günstigere Bestimmungen

(1) Diese Richtlinie rechtfertigt nicht eine Verringerung des den Arbeitnehmern in den Mitgliedstaaten bereits jetzt gewährten allgemeinen Schutzniveaus.

(2) Diese Richtlinie berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, für die Arbeitnehmer günstigere Rechts- oder Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder die Anwendung von für die Arbeitnehmer günstigeren Kollektiv- bzw. Tarifverträgen zu fördern oder zuzulassen.

(3) Diese Richtlinie lässt andere Rechte unberührt, die Arbeitnehmern durch andere Rechtsakte der Union erteilt worden sind.

Artikel 21

Umsetzung und Durchführung

(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die Maßnahmen, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens am 1. August 2022 nachzukommen. Sie setzen die Kommission hiervon unverzüglich in Kenntnis.

(2) Bei Erlass der Maßnahmen nach Absatz 1 nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme.

(3) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

(4) Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit ihren nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten angemessene Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Sozialpartner wirksam einbezogen werden, und um den sozialen Dialog zu fördern und zu verbessern, damit diese Richtlinie tatsächlich durchgeführt wird.

(5) Die Mitgliedstaaten können den Sozialpartnern die Durchführung dieser Richtlinie übertragen, wenn die Sozialpartner dies gemeinsam beantragen und sofern die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die mit dieser Richtlinie angestrebten Ergebnisse erzielt werden.

Artikel 22

Übergangsbestimmungen

Die in dieser Richtlinie festgelegten Rechte und Pflichten gelten spätestens am 1. August 2022 für alle Arbeitsverhältnisse. Ein Arbeitgeber muss jedoch die in Artikel 5 Absatz 1 und in Artikel 6 und 7 genannten Dokumente nur auf Aufforderung eines Arbeitsnehmers, der an diesem Tag bereits beschäftigt ist, bereitstellen oder ergänzen. Das Ausbleiben einer solchen Aufforderung darf nicht zur Folge haben, dass Arbeitnehmer von den mit den Artikeln 8 bis 13 eingeführten Mindestrechten ausgeschlossen werden.

Artikel 23

Überprüfung durch die Kommission

Nach Konsultierung der Mitgliedstaaten und der Sozialpartner auf Unionsebene und unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen überprüft die Kommission spätestens bis 1. August 2027 die Umsetzung dieser Richtlinie und schlägt gegebenenfalls die notwendigen Änderungen der Rechtsvorschriften vor.

Artikel 24

Aufhebung

Die Richtlinie 91/533/EWG wird mit Wirkung vom 1. August 2022 aufgehoben. Bezugnahmen auf die aufgehobene Richtlinie gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie.

Artikel 25

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.